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Hinweise für den Umgang mit Hepatitis-B-Virusträgern im Kindesalter
RdErl. d. MS v. 10.7.1995- 401.1-41 609/10/3/1 (Nds.MBl, S.897 SVBl. 9/1995 S.233) - VORIS 21067 00 00 50 024 -
- Im Einvernehmen mit dem MK -
Bezug: Gem.RdErl.d.MS u.d.MK v.16.5.1989 (Nds.MBl. S.547)

Die nachstehenden Hinweise (Anlage) gebe ich mit der Bitte, um Beachtung bekannt.
In Ergänzung zum Bezugserlass weise ich auf folgende Besonderheiten im Umgang mit Hepatitis-B-Virusträgern (Ausscheidern) im Kindesalter hin:

Hepatitis-B-Virusträger sind Ausscheider i.S. des §2 Nr.4 des Bundes-Seuchengesetzes (im folgenden: BSeuchG). Nach §45 Abs.2 BSeuchG dürfen Ausscheider nur mit Zustimmung des Gesundheitsamtes und unter Beachtung der vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen, die dem Schulbetrieb dienen, Räume betreten, Einrichtungen der Schule benutzen oder an Veranstaltungen der Schule teilnehmen. Das Recht auf Teilnahme am Schulunterricht unterliegt somit der gesundheitsrechtlichen Sonderregelung in §45 Abs.2 BSeuchG. Nur wenn das Gesundheitsamt überzeugt ist, dass eine Weiterverbreitung der Krankheit unter Beachtung der vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen nicht zu befürchten ist, kann es einem Schulbesuch zustimmen (vgl. auch OVG Hamburg, Beschluss vom 27.9.1985 - OVG BsV 203/85/16 VG 2431/85-). Bei Bekanntwerden eines entsprechenden Falles hat das Gesundheitsamt geeignete Schutzmaßnahmen mit den Sorgeberechtigten wie auch mit der Schulleitung abzustimmen. Vorrangig gehört hierzu die Einberufung einer Versammlung aller betroffenen Erziehungsberechtigten, um die allgemeine Situation und die im Einzelfall zu treffenden Maßnahmen mit allen Beteiligten rechtzeitig zu erörtern. In diesem Zusammenhang darf daran erinnert werden, dass das Gesundheitsamt aus Gründen der ärztlichen Schweigepflicht Hepatitis-B-infizierte Virusträger nicht namentlich gegenüber der Schulleitung benennen darf, es sei denn, die Sorgeberechtigten geben hierzu das Einverständnis. Falls das Einverständnis versagt wird, muss es bei allgemeinen Empfehlungen und Informationen über die Infektionsgefahren bleiben. Das Gesundheitsamt hat in diesem Fall zu prüfen, ob ein Schulbesuch noch vertretbar ist.

Die wichtigste Schutzmaßnahme ist eine lückenlose Schutzimpfung der Umgebung des Kindes, wie sie in Nr.3 der nachstehenden Hinweise beschrieben wird. Das zuständige Gesundheitsamt führt die notwendigen Erhebungen durch und entscheidet, für welchen Personenkreis eine Hepatitis-B-Schutzimpfung angezeigt ist. Die Vortestung auf Anti-HBC sowie eine Erfolgskontrolle können bei Schulkindern entfallen. Eine Impfpflicht besteht nicht. Schutzimpfungen sind zweckmäßigerweise durch die Hausärztin oder den Hausarzt vorzunehmen, da für Impfungen durch die Gesundheitsämter zur Zeit ein Kostenträger nicht verbindlich festgelegt werden kann. Die Schutzimpfung ist i.S. des §14 Abs.3 BSeuchG durch RdErl. vom 22.2.1995 (Nds.MBl. S.503) für den genannten Personenkreis öffentlich empfohlen.

Auch die Ständige Impfkommission beim Robert-Koch- Institut in Berlin hat zwischenzeitlich in ihre Empfehlungen die erweiterte Umgebungsimpfung von Hepatitis-B-Trägern aufgenommen.

Auf Grund dieser Empfehlungen können die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten der Schutzimpfungen, die von einer niedergelassenen Ärztin oder einem niedergelassenen Arzt (z.B. Hausärztin oder Hausarzt) vorgenommen werden, übernehmen.

Bis zur abschließenden Klärung der Kostenübernahme für die Schutzimpfungen können, wenn keine Kostenübernahme von anderer Stelle erfolgt, die Kosten für notwendige Schutzimpfungen für die im Geschäftsbereich des MK in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis mit dem Land stehenden Bediensteten aus Mitteln des Landes getragen werden. In diesen Fällen sind die erforderlichen Ausgaben bei Kapitel 0701 Titel 443 01 zu leisten. Auf Nr.8.2.4 des RdErl. des MF vom 20.12.1991 (Nds.MBl. 1992 S.143), zuletzt geändert durch RdErl. vom 25.4.1995 (Nds.MBl. S.618), wird hingewiesen.


Anlage

1. Allgemeines

Die Hepatitis B wird heute weltweit als ein bedeutendes Risiko für die Allgemeinbevölkerung angesehen. Ihre besondere Bedrohung liegt in den schwerwiegenden Langzeitfolgen wie Chronizität, Leberzirrhose und Leberkrebs. Es fehlen geeignete Therapeutika, eine akute oder chronische Hepatitis B mit ihren Folgen zu behandeln. Andererseits kann dieser Infektionskrankheit durch eine gut verträgliche und effektive Schutzimpfung vorgebeugt werden.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vertritt die Auffassung, dass nur durch umfassende Schutzimpfungen eine Kontrolle der Hepatitis B möglich ist. Das bedeutet eine Abkehr von der bisher für die Länder mit geringen Vorkommen von Hepatitis-B-Virusträgern empfohlenen Beschränkung auf Risikogruppen. Die WHO möchte erreichen, dass die Mitgliedstaaten weltweit eine Durchimpfung der Gesamtbevölkerung anstreben.

Das MS schätzt realistisch ein, dass eine Durchimpfung der Gesamtbevölkerung, beginnend mit der Impfung aller Neugeborenen, der Massenimpfung junger Heranwachsender und der Impfung von Hochrisikogruppen, wegen der erheblichen Impfkosten nur allmählich in Teilschritten erreicht werden kann.

Unter diesem Aspekt gewinnt der Impfschutz der Umgebung von Hepatitis-B-Trägerkindern an Bedeutung. Mit einer großzügigen Impfpolitik könnte auf der einen Seite eine hohe Sicherheit der Umgebung vor Ansteckungsgefahren erreicht werden, andererseits würde damit die Chance wachsen, Hepatitis-B-Trägerkindern eine soziale Isolierung zu ersparen.

2. Ansteckungsgefahren bei Kontakten mit Hepatitis-B-Trägerkindern

Die Übertragung einer HBV-Infektion ist an den Kontakt mit Blut oder Ausscheidungen gebunden. Höchste Gefahr besteht, wenn das infizierte Blut von Kontaktpersonen parenteral, also über Schleimhaut oder offene Wunden, aufgenommen wird, wie z.B. bei Nadelstichverletzungen, spielbedingten Verletzungen, Unfällen, körperlichen Angriffen (Bissverletzungen), wie sie auf Schulhöfen, in Klassenzimmern oder auf Kinderspielplätzen vorkommen. Speichel- und Nasensekrete, insbesondere beim Nasenbluten, können mit Blut kontaminiert sein. Sie enthalten dann infektiöses HBV, allerdings in niedriger Konzentration. Bei parenteralem Kontakt können auch diese Ausscheidungen eine Infektion übertragen. Ungefährlich ist in der Regel der Kontakt mit Tränenflüssigkeit, Urin, Erbrochenem oder Stuhl.

Eine Schmierinfektion mit oraler Aufnahme von virushaltigem Blut oder Ausscheidungen führt sehr viel seltener zu einer Infektion als parenteraler Kontakt. Entsprechende Infektionen sind jedoch grundsätzlich möglich. Kein Ansteckungsrisiko besteht bei gemeinsamer Toilettenbenutzung. Über die Atemluft (Aerosole, Tröpfchen) chronisch infizierter Kinder, ob mit niedriger oder hoher Viruskonzentration im Blut, wird die Hepatitis B nicht übertragen. Der Aufenthalt mit Virusträgern im gleichen Raum ist auch bei Körpernähe, wie z.B. auf der Schulbank, ohne Ansteckungsrisiko.

Mit modernen Labormethoden kann die Infektiosität eines Hepatitis-B-Trägers heute sehr genau bestimmt werden. Dennoch nutzt eine solche Differentialdiagnose im praktischen oder einer Schulklasse wenig, denn auch der niedrig virämische Virusträger bleibt das Risiko einer Übertragungsgefahr bei geringfügigen alltäglichen Verletzungen äußerst gering ist.

Mit solchen statistischen Argumenten können jedoch betroffene Eltern nicht überzeugt werden. Für sie zählt allein die Tatsache, dass ihre Kinder durch das Spielen mit einem Hepatitis-B-Trägerkind möglicherweise infiziert werden können. Entsprechenden Auseinandersetzungen mit den Folgen sozialer Ausgrenzung von ohnehin durch die Infektion eines Kindes mit Hepatitis B besonders betroffenen Familien könnte von vornherein durch eine großzügige Impfpolitik wirksam begegnet werden.

Den Eltern sollte bei dieser Gelegenheit verdeutlicht werden, dass sich die Hepatitis-B-Schutzimpfung im Prinzip, was ihre Wirksamkeit und Verträglichkeit betrifft, nicht von anderen bekannten Schutzimpfungen unterscheidet. Sie ist hochwirksam und gut verträglich.

3. Empfehlungen für Schulen, Kindergärten, Kinderheime, Pflegestätten und ähnliche Einrichtungen

3.1 Der Besuch eines Hepatitis-B-Trägerkindes einer Einrichtung der oben genannten Art ist möglich, wenn die Umgebung des Kindes aktiv gegen Hepatitis B geimpft worden ist. Eine vollständige Impfung besteht aus drei Impfungen. Von einem mittelfristig ausreichenden Impfschutz ist 14 Tage nach der zweiten Basisimmunisierung (insgesamt also nach etwa sechs Wochen) auszugehen. Geimpft werden sollten im Rahmen der Einrichtung die betroffene Schulklasse, Kindergartengruppe, Pflegestätte oder der Kinderhort sowie das Betreuungs- und Lehrpersonal. Darüber hinaus sind Impfungen der Familienangehörigen und Spielkameraden vorzusehen.

3.2 Das zuständige Gesundheitsamt führt die notwendigen Erhebungen durch und entscheidet, für welchen Personenkreis eine Hepatitis-B-Schutzimpfung angezeigt ist.

3.3 Die Schutzimpfung kann nur auf freiwilliger Basis- im Regelfall durch die niedergelassene Ärztin oder den niedergelassenen Arzt- angeboten werden. Unabdingbar ist daher, dass alle betroffenen Eltern über den Sachverhalt, die tatsächlichen Ansteckungsrisiken und ihre Folgen sowie die Möglichkeiten der Vorbeugung in geeigneter Weise eingehend informiert werden. Zur Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht kann eine Information über das infizierte Kind an die Schulleitung oder Lehrerschaft nur unter der Voraussetzung des Einverständnisses der Eltern des Kindes gegeben werden. Fachkräfte des zuständigen Gesundheitsamtes sollten für diese Informationsveranstaltung gewonnen werden.

4. Kostenübernahme

In Anwendung der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut in Berlin ist die Hepatitis-B-Impfung nach dem RdErl. vom 22.2.1995 (Nds.MBl. S.503) für Personengruppen mit einem erhöhten Infektionsrisiko gegenüber Hepatitis B öffentlich empfohlen. Zu diesen Risikogruppen gehören auch Personen mit engem Kontakt zu Hepatitis-B-Trägern. Dieser Personenkreis schließt nach Auffassung von Sachverständigen nicht nur Personen in Wohngemeinschaften, sondern auch in definierten Einrichtungen wie der vorgenannten Art ein.

Auf Grund der öffentlichen Empfehlung der Hepatitis-B-Schutzimpfung werden die gesetzlichen Krankenversicherungsleistungsträger in der Regel die Kosten der Impfprophylaxe übernehmen.

Da eine allgemeinverbindliche Zusage aller Kostenträger bisher nicht erreicht werden konnte, empfiehlt sich, Kostenübernahme im Einzelfall mit dem in Betracht kommenden Krankenversicherungsleistungsträger oder dem sonstigen Kostenträger abzustimmen.

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